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Titel

Titulatio





















Název:
Karl IV. in seinem Verhältnisse zur Breslauer Domgeistlichkeit (Archiv für österreichische Geschichte vol. 39)
Autor:
Grünhagen, Colmar
Rok vydání:
1868
Místo vydání:
Wien
Česká národní bibliografie:
x
Počet stran celkem:
22
Obsah:
- I: Titel
- 223: Titulatio
upravit
Strana I
Archiv für österreichische Geschichte. Herausgegeben von der zur Pflege vaterländischer Geschichte aufgestellten Commission der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Neununddreissigster Band. WIEN. Aus der kaiserlich-königlichen Hof- und Staatsdruckerei. 1868.
Archiv für österreichische Geschichte. Herausgegeben von der zur Pflege vaterländischer Geschichte aufgestellten Commission der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Neununddreissigster Band. WIEN. Aus der kaiserlich-königlichen Hof- und Staatsdruckerei. 1868.
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II. KARL IV. IN SEINEM VERHALTNISSE ZUR BRESLAUER DOMGEISTLICHKEIT. VON DR. C. GRUNHAGEN.
II. KARL IV. IN SEINEM VERHALTNISSE ZUR BRESLAUER DOMGEISTLICHKEIT. VON DR. C. GRUNHAGEN.
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225 Die nachstehende Schilderung schliesst sich eng an meine frühere Arbeit: „König Johann von Böhmen und Bischof Nanker von Breslau" an (Sitzungsberichte 1864, Juli) und verknüpft diese mit dem kürz- lich veröffentlichten Aufsatze: „König Wenzel und der sogenannte Pfaffenkrieg zu Breslau“ (Archiv für Kunde österr. Geschichtsquellen Band 37). Mit der letzteren vereinigt sollte sie eigentlich eine fort- gesetzte Darstellung der Regierungen der drei Luxenburgischen Herrscher nach einer bestimmten Richtung hin, nämlich in ihren Beziehungen zu dem schlesischen Bisthume, darbieten. Aussere Zu- fälligkeiten haben dies verhindert und das jetzt vorliegende Uavspov Tpórepov herbeigeführt. Immerhin jedoch wird es mir gestattet sein, mit Rücksicht auf jene Umstände von der Vorausschickung einer orientirenden Vorrede abzuschn. Die Anknüpfung an die frühere Monographie offenbart sich auch darin, dass jene nationalen antislavischen Momente, welche in dem Conflicte König Johanns mit dem Klerus eine so wesentliche Rolle spielen, auch jetzt noch lange fortklingen. Doch besonders für die Charakteristik Karls IV. dürften die hier geschilderten Ereignisse von Bedeutung sein, insofern sie den viel geschmähten Herrscher nicht im entferntesten als den "Pfaffenkaiser" zeigen, als den ihn uns die Geschichtsschreiber des deutschen Reiches gewöhnlich schildern. Vielmehr zeigt sich der bekannte Gegensatz zwischen seiner Thätigkeit als Reichsoberhaupt und der Wirksamkeit für seine Erblande auch nach dieser Seite hin, und wir sehen ihn hier auf das allerentschiedenste klerikalen Ansprüchen, die er für unberech- tigt hielt, entgegentreten, und seinen Willen durchsetzen unbescha- det seiner sonstigen Frömmigkeit. Denn in der That war Karl IV. ein Mann von strengster Religiosität, theologischen Neigungen so erge- ben, dass er selbst die Bibel eifrig studirte und Auslegungen zu ein- Archiv. XXXIX. 1. 15
225 Die nachstehende Schilderung schliesst sich eng an meine frühere Arbeit: „König Johann von Böhmen und Bischof Nanker von Breslau" an (Sitzungsberichte 1864, Juli) und verknüpft diese mit dem kürz- lich veröffentlichten Aufsatze: „König Wenzel und der sogenannte Pfaffenkrieg zu Breslau“ (Archiv für Kunde österr. Geschichtsquellen Band 37). Mit der letzteren vereinigt sollte sie eigentlich eine fort- gesetzte Darstellung der Regierungen der drei Luxenburgischen Herrscher nach einer bestimmten Richtung hin, nämlich in ihren Beziehungen zu dem schlesischen Bisthume, darbieten. Aussere Zu- fälligkeiten haben dies verhindert und das jetzt vorliegende Uavspov Tpórepov herbeigeführt. Immerhin jedoch wird es mir gestattet sein, mit Rücksicht auf jene Umstände von der Vorausschickung einer orientirenden Vorrede abzuschn. Die Anknüpfung an die frühere Monographie offenbart sich auch darin, dass jene nationalen antislavischen Momente, welche in dem Conflicte König Johanns mit dem Klerus eine so wesentliche Rolle spielen, auch jetzt noch lange fortklingen. Doch besonders für die Charakteristik Karls IV. dürften die hier geschilderten Ereignisse von Bedeutung sein, insofern sie den viel geschmähten Herrscher nicht im entferntesten als den "Pfaffenkaiser" zeigen, als den ihn uns die Geschichtsschreiber des deutschen Reiches gewöhnlich schildern. Vielmehr zeigt sich der bekannte Gegensatz zwischen seiner Thätigkeit als Reichsoberhaupt und der Wirksamkeit für seine Erblande auch nach dieser Seite hin, und wir sehen ihn hier auf das allerentschiedenste klerikalen Ansprüchen, die er für unberech- tigt hielt, entgegentreten, und seinen Willen durchsetzen unbescha- det seiner sonstigen Frömmigkeit. Denn in der That war Karl IV. ein Mann von strengster Religiosität, theologischen Neigungen so erge- ben, dass er selbst die Bibel eifrig studirte und Auslegungen zu ein- Archiv. XXXIX. 1. 15
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226 zelnen Stellen schrieb, die uns noch erhalten sind 1); der eifrigste Sammler und Verehrer von Reliquien, deren er um das Jahr 1365 auch der Maria-Magdalenen-Kirche zu Breslau einige schenkte 2); voll Begeisterung für die Erhaltung des reinen Kirchenglaubens, welchem er unter anderen in den ersten Capiteln des von ihm per- sönlich inspirirten Gesetzbuches der Majestas Carolina in Ausdrücken der grössten Ergebenheit seinen Schutz und nachdrücklichste Abwehr aller Ketzereien verheisst; ein warmer Freund des Klerus und geist- licher Corporationen, welche aller Orten zahlreiche und wichtige Pri- vilegien von ihm aufweisen können; der freigebige Gründer vieler Kirchen und Klöster. Trotz alledem aber hat es ihm sehr fern gele- gen, bei der Regierung seiner Erblande, und speciell Schlesiens, die klerikalen Gesichtspunkte über die politischen zu stellen, und durch zu weit getriebene Nachgiebigkeit gegen seine geistlichen Freunde die Interessen seiner Unterthanen zu schädigen; wir schen ihn viel- mehr eifrig bemüht, mit ebensoviel Festigkeit als Besonnenheit die Ein- führung geordneter Rechtsverhältnisse, welche er in einer dem Mit- telalter sonst ganz fremden Ausdehnung für seine Erblande beabsich- tigte, auch gegen den Widerstand des Klerus durchzusetzen. Die Vereinbarung Karls mit dem Papste v. J. 1343, welche die Nankerschen Händel beendigte 3), hatte, wie wir sahen, die Breslauer 1) Pelzel, Karl IV. II. 952. 2) Schmeidler, Maria-Magdalenen-Kirche S. 11. 3) An dieser Stelle möge eine kleine nachträgliche Bemerkung ihre Stelle finden. Bei der Besprechung dieser Einigung (König Johann etc. S. 94 [98]) schien es mir wahrscheinlich, dass die Breslauer zu einer Entschädigung an die Geistlichkeit würden herangezogen sein, doch vermochte ich dieselbe in den uns erhaltenen Rechnungsbüchern aus jener Zeit nicht zu finden, und erst nachträglich hat mir ein Zufall zu einer Entdeekung verholfen, welche den vermissten Posten resti- tuiren könnte. In den Rechnungsbüchern der Stadt Breslau findet sich nämlich (Cod. dipl. Siles. III. p. 69) z. J. 1342 die unerklärliche Bestimmung „super sad- botes 926 mre." Mit Rücksicht darauf, dass das Original dieser Rechnungsbücher verloren ging und die uns allein erhaltene späte Abschrift mannigfache Fehler zeigt, hatte man auch an dieser Stelle schon immer einen Irrthum des Copisten vorausgesetzt. Als ich nun die von mir in dem Archive f. K. österr. Geschichtsquel- len 1865 veröffentlichte Correspondenz der Stadt Breslau mit Karl IV. aus dem sogenannten Kladdenbuche abschrieb , fiel mir eine Stelle auf, wo das Wort sacer- dotibus (mit welchem Ansdrucke der Breslauer Rath den Klerus wiederholt bezeich- net) so geschrieben war, dass ein diplomatisch nicht hinreichend Geübter recht
226 zelnen Stellen schrieb, die uns noch erhalten sind 1); der eifrigste Sammler und Verehrer von Reliquien, deren er um das Jahr 1365 auch der Maria-Magdalenen-Kirche zu Breslau einige schenkte 2); voll Begeisterung für die Erhaltung des reinen Kirchenglaubens, welchem er unter anderen in den ersten Capiteln des von ihm per- sönlich inspirirten Gesetzbuches der Majestas Carolina in Ausdrücken der grössten Ergebenheit seinen Schutz und nachdrücklichste Abwehr aller Ketzereien verheisst; ein warmer Freund des Klerus und geist- licher Corporationen, welche aller Orten zahlreiche und wichtige Pri- vilegien von ihm aufweisen können; der freigebige Gründer vieler Kirchen und Klöster. Trotz alledem aber hat es ihm sehr fern gele- gen, bei der Regierung seiner Erblande, und speciell Schlesiens, die klerikalen Gesichtspunkte über die politischen zu stellen, und durch zu weit getriebene Nachgiebigkeit gegen seine geistlichen Freunde die Interessen seiner Unterthanen zu schädigen; wir schen ihn viel- mehr eifrig bemüht, mit ebensoviel Festigkeit als Besonnenheit die Ein- führung geordneter Rechtsverhältnisse, welche er in einer dem Mit- telalter sonst ganz fremden Ausdehnung für seine Erblande beabsich- tigte, auch gegen den Widerstand des Klerus durchzusetzen. Die Vereinbarung Karls mit dem Papste v. J. 1343, welche die Nankerschen Händel beendigte 3), hatte, wie wir sahen, die Breslauer 1) Pelzel, Karl IV. II. 952. 2) Schmeidler, Maria-Magdalenen-Kirche S. 11. 3) An dieser Stelle möge eine kleine nachträgliche Bemerkung ihre Stelle finden. Bei der Besprechung dieser Einigung (König Johann etc. S. 94 [98]) schien es mir wahrscheinlich, dass die Breslauer zu einer Entschädigung an die Geistlichkeit würden herangezogen sein, doch vermochte ich dieselbe in den uns erhaltenen Rechnungsbüchern aus jener Zeit nicht zu finden, und erst nachträglich hat mir ein Zufall zu einer Entdeekung verholfen, welche den vermissten Posten resti- tuiren könnte. In den Rechnungsbüchern der Stadt Breslau findet sich nämlich (Cod. dipl. Siles. III. p. 69) z. J. 1342 die unerklärliche Bestimmung „super sad- botes 926 mre." Mit Rücksicht darauf, dass das Original dieser Rechnungsbücher verloren ging und die uns allein erhaltene späte Abschrift mannigfache Fehler zeigt, hatte man auch an dieser Stelle schon immer einen Irrthum des Copisten vorausgesetzt. Als ich nun die von mir in dem Archive f. K. österr. Geschichtsquel- len 1865 veröffentlichte Correspondenz der Stadt Breslau mit Karl IV. aus dem sogenannten Kladdenbuche abschrieb , fiel mir eine Stelle auf, wo das Wort sacer- dotibus (mit welchem Ansdrucke der Breslauer Rath den Klerus wiederholt bezeich- net) so geschrieben war, dass ein diplomatisch nicht hinreichend Geübter recht
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227 (wie die Schlesier überhaupt) verpflichtet, den Peterspfennig fort- und sogar für die 17 letzten Jahre nachzuzahlen, und zwar sollen auf dic Stadt jährlich 38 Mark gekommen sein, die denn, wie die uns noch erhaltenen Rechnungen zeigen, auch wirklich gezahlt worden sind 1). Da wir in den städtischen Rechnungsbüchern keine Spur dieses Ausgabepostens antreffen, so scheint die Stadt mit der Erhe- bung dieser Steuer gar nichts zu thun gehabt zu haben und dieselbe von den Geistlichen eingefordert worden zu sein, wo dann doch die Erhebung vom Kopse wenigstens als Princip festgehalten worden sein mag. Noch im J. 1386 rügt es Papst Urban VI., dass ganz mit Unrecht die Kinder unter 13 Jahren von jener Steuer befreit geglaubt würden, während dieselben doch von ihrer Taufe an herangezogen werden sollten 2). Trotzdem muss es als höchst bedenklich erscheinen, wenn Stenzel aus jener Summe von 58 Mark die damalige Einwohner- zahl Breslaus in der Höhe von 47.664 Köpsen herauszurechnen ver- sucht 3). Denn abgesehen davon, dass es ungewiss bleibt, ob nicht die Dörfer des Breslauer Bezirks in jene Summe mit eingerechnet sind, dürfen wir behaupten, dass auch die best organisirte Despotie eine unterschiedslos auf jedes Haupt gelegte Steuer nicht zu exequi- ren vermöchte, ohne dass ein sehr anschnlicher Bruchtheil ausfiele, geschweige denn die nur auf moralische Einwirkung angewiesene Geistlichkeit. Diese war sicher froh, wenn sie mit Aufbietung aller Mittel eine leidlich anständige Summe von den etwa contributions- wohl hätte lesen können sadbotibus; an das e war der flüchtig gezogener Haken so angeknüpft, dass die ganze Figur einem d wirklich ähnlich sah, und auch das folgende d konnte allenfalls für ein b mit einer Schlinge über der Linie gehalten werden, namentlich wenn der Leser es so lesen wollte, um ein Wort zu erhalten, welehes ihm immer doch eher möglich erschien, als das ganz unsinnige saddotes. In Erwägung nun ferner, dass das sogenannte Kladdenbuch aus derselben Zeit und von demselben Orte herstammt wie die Rechnungsbücher, dass möglicherweise dieselbe Hand in beide geschrieben, bin ich in der That zu der Uberzeugung ge- kommen, dass an jener Stelle zu lesen ist „super sacerdotes 926 mre.“ und dass wir hier also die nicht unbeträchtliche Entschädigung vor uns haben , welche die Stadt nach wiederhergestelltem Frieden an die Geistlichkeit zahlte. Es werden dies viel- leicht 7000 Thaler unseres Geldes ausmachen. 1) Stenzel, Bisth. Urk. 293. und Anm. 1. zu 295. 2) Klose, literar. Unterhaltungen II. 596. 3) Bisth., Urk. Einl. LXXXVIII. 15*
227 (wie die Schlesier überhaupt) verpflichtet, den Peterspfennig fort- und sogar für die 17 letzten Jahre nachzuzahlen, und zwar sollen auf dic Stadt jährlich 38 Mark gekommen sein, die denn, wie die uns noch erhaltenen Rechnungen zeigen, auch wirklich gezahlt worden sind 1). Da wir in den städtischen Rechnungsbüchern keine Spur dieses Ausgabepostens antreffen, so scheint die Stadt mit der Erhe- bung dieser Steuer gar nichts zu thun gehabt zu haben und dieselbe von den Geistlichen eingefordert worden zu sein, wo dann doch die Erhebung vom Kopse wenigstens als Princip festgehalten worden sein mag. Noch im J. 1386 rügt es Papst Urban VI., dass ganz mit Unrecht die Kinder unter 13 Jahren von jener Steuer befreit geglaubt würden, während dieselben doch von ihrer Taufe an herangezogen werden sollten 2). Trotzdem muss es als höchst bedenklich erscheinen, wenn Stenzel aus jener Summe von 58 Mark die damalige Einwohner- zahl Breslaus in der Höhe von 47.664 Köpsen herauszurechnen ver- sucht 3). Denn abgesehen davon, dass es ungewiss bleibt, ob nicht die Dörfer des Breslauer Bezirks in jene Summe mit eingerechnet sind, dürfen wir behaupten, dass auch die best organisirte Despotie eine unterschiedslos auf jedes Haupt gelegte Steuer nicht zu exequi- ren vermöchte, ohne dass ein sehr anschnlicher Bruchtheil ausfiele, geschweige denn die nur auf moralische Einwirkung angewiesene Geistlichkeit. Diese war sicher froh, wenn sie mit Aufbietung aller Mittel eine leidlich anständige Summe von den etwa contributions- wohl hätte lesen können sadbotibus; an das e war der flüchtig gezogener Haken so angeknüpft, dass die ganze Figur einem d wirklich ähnlich sah, und auch das folgende d konnte allenfalls für ein b mit einer Schlinge über der Linie gehalten werden, namentlich wenn der Leser es so lesen wollte, um ein Wort zu erhalten, welehes ihm immer doch eher möglich erschien, als das ganz unsinnige saddotes. In Erwägung nun ferner, dass das sogenannte Kladdenbuch aus derselben Zeit und von demselben Orte herstammt wie die Rechnungsbücher, dass möglicherweise dieselbe Hand in beide geschrieben, bin ich in der That zu der Uberzeugung ge- kommen, dass an jener Stelle zu lesen ist „super sacerdotes 926 mre.“ und dass wir hier also die nicht unbeträchtliche Entschädigung vor uns haben , welche die Stadt nach wiederhergestelltem Frieden an die Geistlichkeit zahlte. Es werden dies viel- leicht 7000 Thaler unseres Geldes ausmachen. 1) Stenzel, Bisth. Urk. 293. und Anm. 1. zu 295. 2) Klose, literar. Unterhaltungen II. 596. 3) Bisth., Urk. Einl. LXXXVIII. 15*
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228 fähigen Parochialen aufzubringen und diese dann Jahr aus Jahr ein ungefähr in gleicher Höhe zu erhalten vermochte; eine Controle auf Grund statistischer Tabellen über die Einwohnerzahl ist schwerlich geübt worden. Die den Breslauern zugefallene und vorher berech- nete Rate von 58 Mark ist also doch eben auch wieder nichts als ein Pauschquantum. Die Breslauer nun, wie unwillig sie auch diese Last tragen mochten, welche fast viermal mehr betrug als der Beitrag, der ihnen in dem Anschlage von 1329 zugefallen war, haben sich doch wohl leicht getröstet, wenn ihnen ihr König eine Andeutung darüber hat zukommen lassen, was der Preis dieser Concession sein sollte, nämlich die Lostrennung des Bisthums Breslau vom Gnesener Erz- bisthume 1), ein Plan, der, ebenso wie er durch die wirkliche Lage der Dinge nicht minder als durch die Interessen der böhmischen Krone geboten erschien, ebenso auch der Sympathien der hiesigen Bürger- schaft sicher war, die, wie wir wissen, alles, was an eine Verbindung mit Polen erinnerte, bitter hasste. Eine solche Trennung schien um so leichter durchzuführen, als Bischof Preczlaw sich auf das engste an Karl angeschlossen hatte, sehr häufig an dessen Hofe verweilte, und sogar in dessen Dienste trat als Kanzler, in welcher Eigenschaft er z. B. die erwähnte Urkunde über die Gründung der Dorotheen- kirche mit unterschreibt. Auf der andern Seite arbeiteten natürlich der Erzbischof von Gnesen, der nicht gern eines seiner Suffragan- bisthümer einbüssen mochte, und König Kasimir von Polen, der den letzten Zusammenhang mit Schlesien nicht aufgeben wollte, eifrig diesem Plane entgegen, und der Kanzler Kasimirs war in diesem Sinne am Hofe zu Avignon äusserst thätig, erklärte sogar einen Brief Kasi- mirs, den Karl vorbrachte, für unecht 2), so dass Papst Clemens VI. in dieser Angelegenheit nicht selbstständig vorzugehen wagte. Im Jahre 1350 schreibt er in dieser Sache an den Kaiser, gedenkt der Schwierigkeiten, welche namentlich der Kanzler mache, versichert jedoch seine Geneigtheit, Karls Wünsche zu erfüllen 3). Im Jahre 1351 im Spätherbst suchten dann König Kasimir und der Erzbischof von Gnesen Karln in Breslau auf, um näher über jenen 1) Palacky II. 2, 255. 2) Stenzel, Bisth. Urk. Einl. S. XCI. 3) Theiner, mon. Polon. 1. 528.
228 fähigen Parochialen aufzubringen und diese dann Jahr aus Jahr ein ungefähr in gleicher Höhe zu erhalten vermochte; eine Controle auf Grund statistischer Tabellen über die Einwohnerzahl ist schwerlich geübt worden. Die den Breslauern zugefallene und vorher berech- nete Rate von 58 Mark ist also doch eben auch wieder nichts als ein Pauschquantum. Die Breslauer nun, wie unwillig sie auch diese Last tragen mochten, welche fast viermal mehr betrug als der Beitrag, der ihnen in dem Anschlage von 1329 zugefallen war, haben sich doch wohl leicht getröstet, wenn ihnen ihr König eine Andeutung darüber hat zukommen lassen, was der Preis dieser Concession sein sollte, nämlich die Lostrennung des Bisthums Breslau vom Gnesener Erz- bisthume 1), ein Plan, der, ebenso wie er durch die wirkliche Lage der Dinge nicht minder als durch die Interessen der böhmischen Krone geboten erschien, ebenso auch der Sympathien der hiesigen Bürger- schaft sicher war, die, wie wir wissen, alles, was an eine Verbindung mit Polen erinnerte, bitter hasste. Eine solche Trennung schien um so leichter durchzuführen, als Bischof Preczlaw sich auf das engste an Karl angeschlossen hatte, sehr häufig an dessen Hofe verweilte, und sogar in dessen Dienste trat als Kanzler, in welcher Eigenschaft er z. B. die erwähnte Urkunde über die Gründung der Dorotheen- kirche mit unterschreibt. Auf der andern Seite arbeiteten natürlich der Erzbischof von Gnesen, der nicht gern eines seiner Suffragan- bisthümer einbüssen mochte, und König Kasimir von Polen, der den letzten Zusammenhang mit Schlesien nicht aufgeben wollte, eifrig diesem Plane entgegen, und der Kanzler Kasimirs war in diesem Sinne am Hofe zu Avignon äusserst thätig, erklärte sogar einen Brief Kasi- mirs, den Karl vorbrachte, für unecht 2), so dass Papst Clemens VI. in dieser Angelegenheit nicht selbstständig vorzugehen wagte. Im Jahre 1350 schreibt er in dieser Sache an den Kaiser, gedenkt der Schwierigkeiten, welche namentlich der Kanzler mache, versichert jedoch seine Geneigtheit, Karls Wünsche zu erfüllen 3). Im Jahre 1351 im Spätherbst suchten dann König Kasimir und der Erzbischof von Gnesen Karln in Breslau auf, um näher über jenen 1) Palacky II. 2, 255. 2) Stenzel, Bisth. Urk. Einl. S. XCI. 3) Theiner, mon. Polon. 1. 528.
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229 Gegenstand zu verhandeln, und hier scheint nun der Erzbischof das Anerbieten gemacht zu haben, auf jene Lostrennung der Breslauer Diöcese von seiner Kirchenprovinz einzugehen, wofern ein Theil des Breslauer Bisthums, wahrscheinlich ein mehr oder minder grosses Stück Oberschlesiens, einer andern Diöcese zugefügt würde, ein Vorschlag, der natürlich Bischof Preczlaw im höchsten Grade alar- mirte, so dass Karl denselben ausdrücklich durch das urkundlich ertheilte Versprechen beruhigen musste, niemals eine Theilung oder Zerstückelung des Bisthums betreiben zu wollen 1). Interessant ist uns zu vernehmen, dass die mehrfachen Verbindungen, in die bei dieser Gelegenheit die Breslauer Domherren durch den Erzbischof mit dem Könige von Polen kamen, den Argwohn der Bürgerschaft in hohem Grade erregten, und zwar um so mehr, als der Kaiser damals gerade hier erkrankte. Noch 18 Jahre später durfte es ein Breslauer Procurator wagen, öffentlich am päpstlichen Hofe auszusprechen, die Breslauer Kanoniker hätten damals mit dem Könige von Polen con- spirirt, und Mittel und Wege gesucht, um denselben zum Herrn von Breslau zu machen 2). Allerdings weist Bischof Preczlaw und das Capitel eine solche Beschuldigung mit Entrüstung von sich, und wir wissen nicht, ob und wie viel Wahrheit jenen Gerüchten zu Grunde lag; nichts desto weniger werden wir sagen dürfen: wenn es über- haupt möglich war, dass jener erwähnte polnische Kanzler, der öffent- lich so schroff dem Landesherrn von Schlesien, dem Schutzherrn der Breslauer Kirche, entgegengetreten war, doch in derselben Kirche eine der ersten Prälaturen, das Decanat, erwerben und sich zehn Jahre hindurch (1350 — 1360) im Besitz derselben behaupten konnte3), so muss der polnische Einfluss im Ca- pitel immer noch sehr mächtig gewesen sein, und wir begreifen kaum, dass Bischof Preczlaw sich widersetzt haben sollte, als der Kaiser nach des Kanzlers Tode an dessen Stelle einen seiner Notare Namens Dietrich 4), noch dazu einen früheren Schützling des Bi� 1) 1331. Nr. 15. Stenzel, Bisth. Urk. 308. 2) Processschrift des Jurisdictionsstreites. Handschrift des Stadt-Archives. Nr. 869. fol. 17b. 3) Stenzel, Bisthums-Urkunden. Einl. S. XCII. 4) Die Nachricht des archid. Gnezn. bei Sommersberg II. 113, dass Dietrich coquinae expeditor gewesen, halte ich für sehr zweifelh aft. Der polnische Chronist bringt sie in der Absicht vor, Dietrich, den Concurrenten seines Landsmannes, herunter-
229 Gegenstand zu verhandeln, und hier scheint nun der Erzbischof das Anerbieten gemacht zu haben, auf jene Lostrennung der Breslauer Diöcese von seiner Kirchenprovinz einzugehen, wofern ein Theil des Breslauer Bisthums, wahrscheinlich ein mehr oder minder grosses Stück Oberschlesiens, einer andern Diöcese zugefügt würde, ein Vorschlag, der natürlich Bischof Preczlaw im höchsten Grade alar- mirte, so dass Karl denselben ausdrücklich durch das urkundlich ertheilte Versprechen beruhigen musste, niemals eine Theilung oder Zerstückelung des Bisthums betreiben zu wollen 1). Interessant ist uns zu vernehmen, dass die mehrfachen Verbindungen, in die bei dieser Gelegenheit die Breslauer Domherren durch den Erzbischof mit dem Könige von Polen kamen, den Argwohn der Bürgerschaft in hohem Grade erregten, und zwar um so mehr, als der Kaiser damals gerade hier erkrankte. Noch 18 Jahre später durfte es ein Breslauer Procurator wagen, öffentlich am päpstlichen Hofe auszusprechen, die Breslauer Kanoniker hätten damals mit dem Könige von Polen con- spirirt, und Mittel und Wege gesucht, um denselben zum Herrn von Breslau zu machen 2). Allerdings weist Bischof Preczlaw und das Capitel eine solche Beschuldigung mit Entrüstung von sich, und wir wissen nicht, ob und wie viel Wahrheit jenen Gerüchten zu Grunde lag; nichts desto weniger werden wir sagen dürfen: wenn es über- haupt möglich war, dass jener erwähnte polnische Kanzler, der öffent- lich so schroff dem Landesherrn von Schlesien, dem Schutzherrn der Breslauer Kirche, entgegengetreten war, doch in derselben Kirche eine der ersten Prälaturen, das Decanat, erwerben und sich zehn Jahre hindurch (1350 — 1360) im Besitz derselben behaupten konnte3), so muss der polnische Einfluss im Ca- pitel immer noch sehr mächtig gewesen sein, und wir begreifen kaum, dass Bischof Preczlaw sich widersetzt haben sollte, als der Kaiser nach des Kanzlers Tode an dessen Stelle einen seiner Notare Namens Dietrich 4), noch dazu einen früheren Schützling des Bi� 1) 1331. Nr. 15. Stenzel, Bisth. Urk. 308. 2) Processschrift des Jurisdictionsstreites. Handschrift des Stadt-Archives. Nr. 869. fol. 17b. 3) Stenzel, Bisthums-Urkunden. Einl. S. XCII. 4) Die Nachricht des archid. Gnezn. bei Sommersberg II. 113, dass Dietrich coquinae expeditor gewesen, halte ich für sehr zweifelh aft. Der polnische Chronist bringt sie in der Absicht vor, Dietrich, den Concurrenten seines Landsmannes, herunter-
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230 schofs 1), in den Besitz des Decanats bringen wollte. Die Rücksicht, die man auf den Wunsch des polnischen Königs genommen, schien doch wohl der Landesherr auch beanspruchen zu dürfen. Hierdurch trübte sich etwa vom Jahre 1360 an das früher so gute Verhältniss zwischen dem Bischofe und dem Kaiser in etwas, wenn wir gleich zu den weitgehenden Vermuthungen Stenzels 2), Bischof Preczlaw habe vielleicht an den von Innocenz VI. ausgegangenen Entwürfen zur Absetzung Karls IV. oder an der Verbindung der Könige von Polen und Ungarn gegen jenen Theil genommen, einen thatsäch- lichen Anhalt nicht zu erkennen vermögen. Aus dem Jahre 1358 finden wir noch einen lebhaften Austausch von Urkunden zwischen dem Könige und dem Bischofe, Privilegien auf der einen, Treueversicherungen auf der andern Seite 3); doch ums J. 1360 sehen wir, als Karl das von dem Herzoge Bolko von Schweidnitz hart bedrängte Domcapitel nicht schützen kann oder will, wieder den Erzbischof von Gnesen seine alten Metropolitan- rechte geltend machen 4), und um dieselbe Zeit giebt nun Karl seinen Plan, Breslau von der polnischen Kirchenprovinz zu trennen, definitiv auf. 1355 hatte er noch bald nach seiner Kaiserkrönung, den 12. Mai, von dem Papste sein Versprechen bezüglich des Peterspfennigs zurückverlangt, da die Gegenleistung ausgeblieben sei 5); 1360 dage- gen giebt er, durch die Ungunst der politischen Constellation bewo- gen, den Plan definitiv auf: es ist dies eine der Bedingungen des damals mit dem Könige von Ungarn geschlossenen Friedens 6). 1365 vermag dann Papst Urban V. dem wegen jenes Planes noch immer besorgten Könige von Polen zu versichern, Kaiser Karl habe in dieser Angelegenheit bei ihm niemals irgend welchen Schritt gethan 7). zusetzen. Im besten Falle liegt eine Verwechselung mit jenem Dietrich von Ku- gelweit zu Grunde, an den sich die Geschichte von der improvisirten Bewirthung des kaiserlichen Gefolges durch ein aus den den lebenden Schweinen abgeschnit- tenen Ohren und Schwänzen bereitetes Gericht anknüpft. Pelzel Il. 962. 1) Henels Silesiogr. in der handschriftlichen Umarheitung. 2) Bisthums-Urkunden. Einl. XCII. 3) Stenzel, Bisthums-Urkunden. Einl. XCI. 4) Ebendaselbst XCII. 5) Palacky, Italien. Reise. S. 86. Nr. 180. 6) Urkunde vom 26. Juli bei Glaſey, Anecdota 288. 7) Theiner I. 632.
230 schofs 1), in den Besitz des Decanats bringen wollte. Die Rücksicht, die man auf den Wunsch des polnischen Königs genommen, schien doch wohl der Landesherr auch beanspruchen zu dürfen. Hierdurch trübte sich etwa vom Jahre 1360 an das früher so gute Verhältniss zwischen dem Bischofe und dem Kaiser in etwas, wenn wir gleich zu den weitgehenden Vermuthungen Stenzels 2), Bischof Preczlaw habe vielleicht an den von Innocenz VI. ausgegangenen Entwürfen zur Absetzung Karls IV. oder an der Verbindung der Könige von Polen und Ungarn gegen jenen Theil genommen, einen thatsäch- lichen Anhalt nicht zu erkennen vermögen. Aus dem Jahre 1358 finden wir noch einen lebhaften Austausch von Urkunden zwischen dem Könige und dem Bischofe, Privilegien auf der einen, Treueversicherungen auf der andern Seite 3); doch ums J. 1360 sehen wir, als Karl das von dem Herzoge Bolko von Schweidnitz hart bedrängte Domcapitel nicht schützen kann oder will, wieder den Erzbischof von Gnesen seine alten Metropolitan- rechte geltend machen 4), und um dieselbe Zeit giebt nun Karl seinen Plan, Breslau von der polnischen Kirchenprovinz zu trennen, definitiv auf. 1355 hatte er noch bald nach seiner Kaiserkrönung, den 12. Mai, von dem Papste sein Versprechen bezüglich des Peterspfennigs zurückverlangt, da die Gegenleistung ausgeblieben sei 5); 1360 dage- gen giebt er, durch die Ungunst der politischen Constellation bewo- gen, den Plan definitiv auf: es ist dies eine der Bedingungen des damals mit dem Könige von Ungarn geschlossenen Friedens 6). 1365 vermag dann Papst Urban V. dem wegen jenes Planes noch immer besorgten Könige von Polen zu versichern, Kaiser Karl habe in dieser Angelegenheit bei ihm niemals irgend welchen Schritt gethan 7). zusetzen. Im besten Falle liegt eine Verwechselung mit jenem Dietrich von Ku- gelweit zu Grunde, an den sich die Geschichte von der improvisirten Bewirthung des kaiserlichen Gefolges durch ein aus den den lebenden Schweinen abgeschnit- tenen Ohren und Schwänzen bereitetes Gericht anknüpft. Pelzel Il. 962. 1) Henels Silesiogr. in der handschriftlichen Umarheitung. 2) Bisthums-Urkunden. Einl. XCII. 3) Stenzel, Bisthums-Urkunden. Einl. XCI. 4) Ebendaselbst XCII. 5) Palacky, Italien. Reise. S. 86. Nr. 180. 6) Urkunde vom 26. Juli bei Glaſey, Anecdota 288. 7) Theiner I. 632.
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231 Wir dürfen nun keinen Augenblick zweifeln, dass bei diesen Verhandlungen die Sympathien der Breslauer ungetheilt der Sache des Kaisers sich zugewandt haben, und dass ihnen der Ausgang sehr wenig willkommen gewesen ist. Auch sie hatten verschiedene Streit- punkte dem Bisthume gegenüber, in die dann gleichfalls der Kaiser hineingezogen wurde. Einmal zeigen sich doch noch immer gewisse Nachwirkungen der Nankerschen Händel. So war einer der Breslauer Consuln aus jener Zeit, Hellenbold v. Leuchtendorf, der in den Tagen der Sperre der geistlichen Einkünfte den Sequester gespielt hatte, eine der Geistlichkeit besonders verhasste Persönlichkeit geblieben, auf ihn hatte man versucht die Schuld des Mordes von Schwenkfeld zu wälzen 1). Vielleicht im Zusammenhange hiermit steht es, wenn einerseits Hellenbold seit 1339 nicht wieder in den Rath gewählt wird, andrerseits aber die Geistlichkeit noch im J. 1348 ihn als ex- communicirt ansieht und sogar an die drei Gerichte des Herzogthums Breslau (Hof-, Land- und Stadtgericht) Mandate erlässt, in welchen sie verlangt, dass jenem Hellenbold als einem Excommunicirten jede Rechtshilfe verweigert werde, eine Forderung, welche, insofern sie der kirchlichen Excommunication zugleich die Folgen der Acht vin- dicirt, wohl den Breslauern als ganz unberechtigt erscheinen durfte, wenn sie gleich versichern, dass ähnliches schon mehrfach versucht worden sei. Indem sie dies klagend an Karl IV. berichten, fügen sie hinzu, wenn hier nicht bald Abhilfe geschafft werde, würde das ganze Herzogthum in Verfall kommen 2). Schon aus der Gereiztheit dieser Worte vermögen wir auf den hohen Grad von Spannung, der hier bestand, zu schliessen. Die Hauptursache derselben aber waren die Jurisdictionsverhältnisse. Hier führt die Bürgerschaft nach zwei Seiten hin im J. 1355 lebhafte Klagen. Einmal dass Geistliche in privatrechtlichen Angelegenheiten, z. B. bei Erbschaftssachen, Laien vor das geistliche Gericht ziehen 3), im Widerspruch mit dem Privileg König Johanns, welcher den Laien gegenüber die Citation vor das geistliche Forum erst dann zugelassen wissen wollte, wenn beide Instanzen der weltlichen Gerichte die 1) Vergl. Grünhagen, König Johann und Bischof Nanker, S. 90. Anm. 2. 2) — tota terra desoletur. Corresp. der Stadt Breslau mit Karl lV. 1347—53. Archiv für Kunde österr. Geschichtsquellen 1865. s. 14. 3) Corresp. 23.
231 Wir dürfen nun keinen Augenblick zweifeln, dass bei diesen Verhandlungen die Sympathien der Breslauer ungetheilt der Sache des Kaisers sich zugewandt haben, und dass ihnen der Ausgang sehr wenig willkommen gewesen ist. Auch sie hatten verschiedene Streit- punkte dem Bisthume gegenüber, in die dann gleichfalls der Kaiser hineingezogen wurde. Einmal zeigen sich doch noch immer gewisse Nachwirkungen der Nankerschen Händel. So war einer der Breslauer Consuln aus jener Zeit, Hellenbold v. Leuchtendorf, der in den Tagen der Sperre der geistlichen Einkünfte den Sequester gespielt hatte, eine der Geistlichkeit besonders verhasste Persönlichkeit geblieben, auf ihn hatte man versucht die Schuld des Mordes von Schwenkfeld zu wälzen 1). Vielleicht im Zusammenhange hiermit steht es, wenn einerseits Hellenbold seit 1339 nicht wieder in den Rath gewählt wird, andrerseits aber die Geistlichkeit noch im J. 1348 ihn als ex- communicirt ansieht und sogar an die drei Gerichte des Herzogthums Breslau (Hof-, Land- und Stadtgericht) Mandate erlässt, in welchen sie verlangt, dass jenem Hellenbold als einem Excommunicirten jede Rechtshilfe verweigert werde, eine Forderung, welche, insofern sie der kirchlichen Excommunication zugleich die Folgen der Acht vin- dicirt, wohl den Breslauern als ganz unberechtigt erscheinen durfte, wenn sie gleich versichern, dass ähnliches schon mehrfach versucht worden sei. Indem sie dies klagend an Karl IV. berichten, fügen sie hinzu, wenn hier nicht bald Abhilfe geschafft werde, würde das ganze Herzogthum in Verfall kommen 2). Schon aus der Gereiztheit dieser Worte vermögen wir auf den hohen Grad von Spannung, der hier bestand, zu schliessen. Die Hauptursache derselben aber waren die Jurisdictionsverhältnisse. Hier führt die Bürgerschaft nach zwei Seiten hin im J. 1355 lebhafte Klagen. Einmal dass Geistliche in privatrechtlichen Angelegenheiten, z. B. bei Erbschaftssachen, Laien vor das geistliche Gericht ziehen 3), im Widerspruch mit dem Privileg König Johanns, welcher den Laien gegenüber die Citation vor das geistliche Forum erst dann zugelassen wissen wollte, wenn beide Instanzen der weltlichen Gerichte die 1) Vergl. Grünhagen, König Johann und Bischof Nanker, S. 90. Anm. 2. 2) — tota terra desoletur. Corresp. der Stadt Breslau mit Karl lV. 1347—53. Archiv für Kunde österr. Geschichtsquellen 1865. s. 14. 3) Corresp. 23.
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232 Rechtshilfe verweigert hätten 1). Nach der andern Seite hin bitten die Breslauer in jenem Jahre den König, er möge doch ihnen Wege schaffen, um Verbrecher allerlei Art, Mörder, Räuber u. dgl. zur Strafe zu ziehen. Solche Individuen entgingen jetzt vielfach der Strafe, indem sie sich auf den Gütern von Herren, welche im Besitze der höheren Gerichtsbarkeit zu sein vorgäben, vornehmlich der Geist- lichkeit, aufhielten und dort oft noch gehegt würden. Erst vor kurzem, sagen sie, hätte man auf dem Domcapitelsgute Kl. Mochbern einige notorische Verbrecher entlassen, die dann sogleich wieder Morde begangen hätten 2). Karl IV. nahm auf diese Klagen in eben dem Jahre 1355 Ge- sandte des Raths mit sich nach Rom auf seinem Krönungszuge, doch wurde es nicht möglich, von dem Papste die gewünschten Zugeständ- nisse zu erlangen 3). In den folgenden Jahren, wo Karl wegen der goldenen Bulle in Streitigkeiten mit dem Papste gerieth, war natür- lich noch weniger etwas durchzusetzen , und als der Kaiser um jene Zeit, durch vielfache Opposition im Reiche gedrängt, den schlesischen Klerus sich enger zu verknüpfen strebte, und mit dem Bischofe, wie schon erwähnt, im J. 1338 mehrfache Urkunden austauschte, nahm er keinen Anstand, in einer derselben vom 13. December 4) jenes Jahres dem Bisthum für seine Besitzungen die vollste Freiheit zu bewilligen, ohne sich und seinen Nachfolgern etwas von Jurisdiction, Zins oder Dienstbarkeit vorzubehalten. Trotzdem behielt der Rath jene Sache eifrig im Auge, und es war für ihn ein nicht geringer Erfolg, dass er im J. 1360 die Haupt- mannschaft über das Herzogthum Breslau erlangte. Dem Landadel gegenüber hatte er nun doch freiere Hand, und auch die Geistlich- keit datirt von diesem Zeitpunkte an die Beeinträchtigung ihrer Juris- dictionsfreiheit, über welche sie klagte 5). Der Conflict kam nun, wie es gewöhnlich zu geschehen pflegt, bei einer sehr geringfügigen Veranlassung zum offenen Ausbruche. In den ersten Tagen des Juni 1367 hatte ein Mann aus Jäschgüttel bei 1) Lünig R. A. XIV. 312. 2) Corresp. 23. 3) Schickfus, Chron. I. 55. Pols Jahrb. 1. 155. 4) Stenzel, Bisthums-Urkunden. 316. 5) Die erw Processschr. v. 1369. fol. 18.
232 Rechtshilfe verweigert hätten 1). Nach der andern Seite hin bitten die Breslauer in jenem Jahre den König, er möge doch ihnen Wege schaffen, um Verbrecher allerlei Art, Mörder, Räuber u. dgl. zur Strafe zu ziehen. Solche Individuen entgingen jetzt vielfach der Strafe, indem sie sich auf den Gütern von Herren, welche im Besitze der höheren Gerichtsbarkeit zu sein vorgäben, vornehmlich der Geist- lichkeit, aufhielten und dort oft noch gehegt würden. Erst vor kurzem, sagen sie, hätte man auf dem Domcapitelsgute Kl. Mochbern einige notorische Verbrecher entlassen, die dann sogleich wieder Morde begangen hätten 2). Karl IV. nahm auf diese Klagen in eben dem Jahre 1355 Ge- sandte des Raths mit sich nach Rom auf seinem Krönungszuge, doch wurde es nicht möglich, von dem Papste die gewünschten Zugeständ- nisse zu erlangen 3). In den folgenden Jahren, wo Karl wegen der goldenen Bulle in Streitigkeiten mit dem Papste gerieth, war natür- lich noch weniger etwas durchzusetzen , und als der Kaiser um jene Zeit, durch vielfache Opposition im Reiche gedrängt, den schlesischen Klerus sich enger zu verknüpfen strebte, und mit dem Bischofe, wie schon erwähnt, im J. 1338 mehrfache Urkunden austauschte, nahm er keinen Anstand, in einer derselben vom 13. December 4) jenes Jahres dem Bisthum für seine Besitzungen die vollste Freiheit zu bewilligen, ohne sich und seinen Nachfolgern etwas von Jurisdiction, Zins oder Dienstbarkeit vorzubehalten. Trotzdem behielt der Rath jene Sache eifrig im Auge, und es war für ihn ein nicht geringer Erfolg, dass er im J. 1360 die Haupt- mannschaft über das Herzogthum Breslau erlangte. Dem Landadel gegenüber hatte er nun doch freiere Hand, und auch die Geistlich- keit datirt von diesem Zeitpunkte an die Beeinträchtigung ihrer Juris- dictionsfreiheit, über welche sie klagte 5). Der Conflict kam nun, wie es gewöhnlich zu geschehen pflegt, bei einer sehr geringfügigen Veranlassung zum offenen Ausbruche. In den ersten Tagen des Juni 1367 hatte ein Mann aus Jäschgüttel bei 1) Lünig R. A. XIV. 312. 2) Corresp. 23. 3) Schickfus, Chron. I. 55. Pols Jahrb. 1. 155. 4) Stenzel, Bisthums-Urkunden. 316. 5) Die erw Processschr. v. 1369. fol. 18.
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233 Breslau, Namens Paul v. Gandau, einen Eingesessenen der Kirche, Stanko Lichwitz aus Streganowicz (Paschwitz bei Breslau), mit dem er in Streit lebte, weil derselbe seinem Pferde ein Auge ausgeschlagen und die verlangte Entschädigung von 21/2 M. (etwa 9 Rth. unseres Geldes) nicht zahlen wollte, in der Stadt angetroffen und vor den Landvogt gebracht. Als der Verklagte auch dort auf die Forderung nicht eingehen wollte und so wenig Caution als Bürgen stellen wollte oder konnte, wurde er gefangen gesetzt. Auf dem Dome gerieth man auf die Kunde von diesem Vorgange in grossen Zorn, und das Capitel (der Bischof war, wie es scheint, abwesend)entsandte unmittelbar darauf, am 4. Juni, zwei seiner Glieder auf das Rathhaus, um die Freilassung seines Unterthanen zu verlangen, den es selbst richten wollte. Als darauf einer der Consuln, Peter Johnsdorf, den Thatbestand und die Rechtmässigkeit ihres Ver- fahrens auseinandersetzte, erwiderte der Dompropst Jakob Augu- stini mit dem Vorschlage, mit Rücksicht auf die bevorstehende An- kunft des Kaisers den Streit his vier Wochen nach diesem Zeitpunkte zu vertagen, immer jedoch unter der Voraussetzung der Freilassung Stankos 1), eine Proposition, die wohl nur den Zweck haben sollte, ein Hineinziehen des Kaisers in den Streit unter allen Umständen zu vermeiden. Als der Rath darauf nicht eingehen wollte, beschloss das Capitel, das Interdict über die Stadt zu verhängen, und um eine grössere Wirkung dadurch zu erzielen, indem man am ersten Pfingst- feiertage (6. Juni) die Bürgerschaft überall verschlossene Kirchthü- ren finden liess, ging man mit solcher Uberstürzung zu Werke, dass man schon den Tag nach jener Unterredung, also im Ganzen wenige Tage nach Beginn des ganzen Streites 2), den folgenschweren Be- schluss des Interdictes fasste. Der Rath sprach hierauf in feierlicher Urkunde dem Capitel geradezu das Recht ab, die Einwohner des Got- tesdienstes und des Genusses der Sacramente, als Rechte, deren sie sich seit der ersten Gründung der Stadt erfreut hätten, zu berauben, und citirte, indem er Appellation einlegte, das Capitel auf nächsten 2. October vor den päpstlichen Stuhl s). Inzwischen ward Stanko 1) Dom-Arch. lib. nig. f. 11b. 2) In der Processschrift wird von Seiten des Capitels die Gefangenselzung Stanko's als im Juni erfolgt angegeben 3) Urk. v. 14. Juni. Lib. nig. f.
233 Breslau, Namens Paul v. Gandau, einen Eingesessenen der Kirche, Stanko Lichwitz aus Streganowicz (Paschwitz bei Breslau), mit dem er in Streit lebte, weil derselbe seinem Pferde ein Auge ausgeschlagen und die verlangte Entschädigung von 21/2 M. (etwa 9 Rth. unseres Geldes) nicht zahlen wollte, in der Stadt angetroffen und vor den Landvogt gebracht. Als der Verklagte auch dort auf die Forderung nicht eingehen wollte und so wenig Caution als Bürgen stellen wollte oder konnte, wurde er gefangen gesetzt. Auf dem Dome gerieth man auf die Kunde von diesem Vorgange in grossen Zorn, und das Capitel (der Bischof war, wie es scheint, abwesend)entsandte unmittelbar darauf, am 4. Juni, zwei seiner Glieder auf das Rathhaus, um die Freilassung seines Unterthanen zu verlangen, den es selbst richten wollte. Als darauf einer der Consuln, Peter Johnsdorf, den Thatbestand und die Rechtmässigkeit ihres Ver- fahrens auseinandersetzte, erwiderte der Dompropst Jakob Augu- stini mit dem Vorschlage, mit Rücksicht auf die bevorstehende An- kunft des Kaisers den Streit his vier Wochen nach diesem Zeitpunkte zu vertagen, immer jedoch unter der Voraussetzung der Freilassung Stankos 1), eine Proposition, die wohl nur den Zweck haben sollte, ein Hineinziehen des Kaisers in den Streit unter allen Umständen zu vermeiden. Als der Rath darauf nicht eingehen wollte, beschloss das Capitel, das Interdict über die Stadt zu verhängen, und um eine grössere Wirkung dadurch zu erzielen, indem man am ersten Pfingst- feiertage (6. Juni) die Bürgerschaft überall verschlossene Kirchthü- ren finden liess, ging man mit solcher Uberstürzung zu Werke, dass man schon den Tag nach jener Unterredung, also im Ganzen wenige Tage nach Beginn des ganzen Streites 2), den folgenschweren Be- schluss des Interdictes fasste. Der Rath sprach hierauf in feierlicher Urkunde dem Capitel geradezu das Recht ab, die Einwohner des Got- tesdienstes und des Genusses der Sacramente, als Rechte, deren sie sich seit der ersten Gründung der Stadt erfreut hätten, zu berauben, und citirte, indem er Appellation einlegte, das Capitel auf nächsten 2. October vor den päpstlichen Stuhl s). Inzwischen ward Stanko 1) Dom-Arch. lib. nig. f. 11b. 2) In der Processschrift wird von Seiten des Capitels die Gefangenselzung Stanko's als im Juni erfolgt angegeben 3) Urk. v. 14. Juni. Lib. nig. f.
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234 noch immer in Haft gehalten, obschon, wie das Capitel behauptete, für ihn Bürgschaft geleistet worden sei ; man warf sogar dem Rathe vor, er halte auch die Bürgen fest, und auf Grund dessen erklärte das Capitel, sich auf Provincialstatuten der Gnesener Kirche berufend, das Interdict nicht aufheben zu können, drohte vielmehr, den Kläger Paul v. Gandau und die Richter, falls binnen Monatsfrist die Bürgen nicht ihrer Haft entbunden würden, auch noch persönlich mit dem Banne zu belegen, ohne im übrigen auf die Ankündigung der Appel- lation etwas zu erwiedern 1). Der Streit griff nun naturgemäss weiter um sich, und während auf der einen Seite der Bischof, der Anfangs dem Kampfe fernge- standen zu sein scheint, nun auch sich äusserte und am 28. Juni 1367 von Ottmachau aus den Kläger Paul v. Gandau excommuni- cirte 2), führte andrerseits die steigende Erbitterung in der Stadt zu Excessen gegen Geistliche. So gab am 1. Juli der Kleriker Nikolaus Haberdorf bei dem Dompropste eine Klage über ungebührliche Be- handlung seitens der Breslauer Polizei zu Protokoll. Den Sonnabend vorher (den 26. Juni) war er in einem Breslauer Wirthshause mit dem Diener des Wirthes, der ihm seiner Aussage nach sein Schwert entwendet hatte, in Händel gerathen und war von diesem geschlagen worden. Die Polizei war dazn gekommen und hatte ihn ins Gefäng- niss geschleppt, unter dem Vorgeben, er spiele mit falschen Würfeln, wesswegen man ihn auch erfolglos durchsucht habe. Als man seine Tonsur bemerkt, seien die Stadtdiener noch wüthender geworden, man habe gedroht ihn noch in der Nacht Oderwasser trinken zu lassen, und endlich einen Barbier kommen lassen, um ihm eine grössere Platte zu scheeren, und dies letztere sei auch wirklich erfolgt; man habe ihn auch erst den Dinstag darauf wieder in Freiheit gesetzt, und erst nachdem er und die sich für ihn verwendet, gelobt hatten, die ihm geschehene Unbill nicht weiter zu sagen, noch sonst etwas gegen die Stadt zu unternehmen 3). Obgleich das notarielle Protokoll über diesen Excess in das grosse Copialbuch des Domstiftes einge- tragen worden ist, so findet man doch diesen Zwischenfall nirgends weiter erwähnt, wahrscheinlich mit Rücksicht auf die betroffene Per- 1) Lib. nig. 12b. 2) Klose II. 249. 3) Dom-Arch. lib. nig. fol. 10b.
234 noch immer in Haft gehalten, obschon, wie das Capitel behauptete, für ihn Bürgschaft geleistet worden sei ; man warf sogar dem Rathe vor, er halte auch die Bürgen fest, und auf Grund dessen erklärte das Capitel, sich auf Provincialstatuten der Gnesener Kirche berufend, das Interdict nicht aufheben zu können, drohte vielmehr, den Kläger Paul v. Gandau und die Richter, falls binnen Monatsfrist die Bürgen nicht ihrer Haft entbunden würden, auch noch persönlich mit dem Banne zu belegen, ohne im übrigen auf die Ankündigung der Appel- lation etwas zu erwiedern 1). Der Streit griff nun naturgemäss weiter um sich, und während auf der einen Seite der Bischof, der Anfangs dem Kampfe fernge- standen zu sein scheint, nun auch sich äusserte und am 28. Juni 1367 von Ottmachau aus den Kläger Paul v. Gandau excommuni- cirte 2), führte andrerseits die steigende Erbitterung in der Stadt zu Excessen gegen Geistliche. So gab am 1. Juli der Kleriker Nikolaus Haberdorf bei dem Dompropste eine Klage über ungebührliche Be- handlung seitens der Breslauer Polizei zu Protokoll. Den Sonnabend vorher (den 26. Juni) war er in einem Breslauer Wirthshause mit dem Diener des Wirthes, der ihm seiner Aussage nach sein Schwert entwendet hatte, in Händel gerathen und war von diesem geschlagen worden. Die Polizei war dazn gekommen und hatte ihn ins Gefäng- niss geschleppt, unter dem Vorgeben, er spiele mit falschen Würfeln, wesswegen man ihn auch erfolglos durchsucht habe. Als man seine Tonsur bemerkt, seien die Stadtdiener noch wüthender geworden, man habe gedroht ihn noch in der Nacht Oderwasser trinken zu lassen, und endlich einen Barbier kommen lassen, um ihm eine grössere Platte zu scheeren, und dies letztere sei auch wirklich erfolgt; man habe ihn auch erst den Dinstag darauf wieder in Freiheit gesetzt, und erst nachdem er und die sich für ihn verwendet, gelobt hatten, die ihm geschehene Unbill nicht weiter zu sagen, noch sonst etwas gegen die Stadt zu unternehmen 3). Obgleich das notarielle Protokoll über diesen Excess in das grosse Copialbuch des Domstiftes einge- tragen worden ist, so findet man doch diesen Zwischenfall nirgends weiter erwähnt, wahrscheinlich mit Rücksicht auf die betroffene Per- 1) Lib. nig. 12b. 2) Klose II. 249. 3) Dom-Arch. lib. nig. fol. 10b.
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235 sönlichkeit, die, wenn man die näheren Umstände des Vorfalls selbst nach der eigenen Darstellung des Betroffenen erwägt, unmöglich eine sehr respectable gewesen sein kann. Inzwischen hatte doch auch das Capitel die Appellation des Rathes an den Papst, obwohl es dieselbe für frivol und unbegründet erklärte, angenommen und sich mit dem festgesetzten Termine ein- verstanden erklärt 1). Weiter war die Sache noch nicht gediehen, als Kaiser Karl Anfangs August in Breslau eintraf. Er vermied in der Sache selbst Entscheidung zu treffen, dagegen war Bischof Preczlaw sogleich bereit, während der Anwesenheit des Kaisers das Interdict zu suspen- diren, und als der in Karls Begleitung mitgekommene Herzog Bolko von Schweidnitz, der eben erst selbst einen schweren Streit mit dem Capitel durchgekämpft hatte, seine Vermittlung anbot, wurde die Suspension zunächst bis zum 6. December ausgedehnt 2). Nach einer andern Seite nahm nun aber der Kaiser in einer schr bedenklichen Weise gegen die Geistlichkeit Partei. Der Rath hatte natürlich bei dieser Gelegenheit allen Klagen über den Klerus Luft gemacht und es müssen hiebei dann auch, abgesehen von jener Streitsache, Dinge zur Sprache gekommen sein, die wir nicht mehr im Einzelnen kennen, die aber dem Kaiser als Ubergriffe des Klerus in das weltliche Regiment erschienen sind. Am 12. August trat vor Bischof Preczlaw der Domherr von Lebus, Peter v. Kunzendorf, und berichteté, er komme eben von dem Kaiser, derselbe habe in sehr heftigen Ausdrücken sich über den Bischof und das Capitel ausge- sprochen, bald würden Gesandte des Kaisers hier sein mit einer Bot- schaft des letzteren, Preczlaw möge erwägen, was er denselben antworten wolle. Darauf gab der Bischof vor seinen Notaren die Er- klärung zu Protokoll, wenn er etwas gegen die Freiheiten und Rechte seiner Kirche thun sollte, so würde dies nur aus Rücksicht auf die Macht des Kaisers geschehen und um der gerechten Besorgniss willen, die auch den Standhaften befallen könnte. Unmittelbar darauf erschienen auch wirklich die kaiserlichen Gesandten Graf Burchard von Recz und Ritter Timo von Kolditz und verlangten Namens des Kaisers von dem Bischof und dem ganzen Capitel die Ausfertigung 1) Urk. v. 23. Juni, bei Heyne I. 253. Anm. 2) Klose II. 251.
235 sönlichkeit, die, wenn man die näheren Umstände des Vorfalls selbst nach der eigenen Darstellung des Betroffenen erwägt, unmöglich eine sehr respectable gewesen sein kann. Inzwischen hatte doch auch das Capitel die Appellation des Rathes an den Papst, obwohl es dieselbe für frivol und unbegründet erklärte, angenommen und sich mit dem festgesetzten Termine ein- verstanden erklärt 1). Weiter war die Sache noch nicht gediehen, als Kaiser Karl Anfangs August in Breslau eintraf. Er vermied in der Sache selbst Entscheidung zu treffen, dagegen war Bischof Preczlaw sogleich bereit, während der Anwesenheit des Kaisers das Interdict zu suspen- diren, und als der in Karls Begleitung mitgekommene Herzog Bolko von Schweidnitz, der eben erst selbst einen schweren Streit mit dem Capitel durchgekämpft hatte, seine Vermittlung anbot, wurde die Suspension zunächst bis zum 6. December ausgedehnt 2). Nach einer andern Seite nahm nun aber der Kaiser in einer schr bedenklichen Weise gegen die Geistlichkeit Partei. Der Rath hatte natürlich bei dieser Gelegenheit allen Klagen über den Klerus Luft gemacht und es müssen hiebei dann auch, abgesehen von jener Streitsache, Dinge zur Sprache gekommen sein, die wir nicht mehr im Einzelnen kennen, die aber dem Kaiser als Ubergriffe des Klerus in das weltliche Regiment erschienen sind. Am 12. August trat vor Bischof Preczlaw der Domherr von Lebus, Peter v. Kunzendorf, und berichteté, er komme eben von dem Kaiser, derselbe habe in sehr heftigen Ausdrücken sich über den Bischof und das Capitel ausge- sprochen, bald würden Gesandte des Kaisers hier sein mit einer Bot- schaft des letzteren, Preczlaw möge erwägen, was er denselben antworten wolle. Darauf gab der Bischof vor seinen Notaren die Er- klärung zu Protokoll, wenn er etwas gegen die Freiheiten und Rechte seiner Kirche thun sollte, so würde dies nur aus Rücksicht auf die Macht des Kaisers geschehen und um der gerechten Besorgniss willen, die auch den Standhaften befallen könnte. Unmittelbar darauf erschienen auch wirklich die kaiserlichen Gesandten Graf Burchard von Recz und Ritter Timo von Kolditz und verlangten Namens des Kaisers von dem Bischof und dem ganzen Capitel die Ausfertigung 1) Urk. v. 23. Juni, bei Heyne I. 253. Anm. 2) Klose II. 251.
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236 einer Urkunde, entsprechend dem Reverse, den ihnen vor Kurzem Propst Peter v. St. Egidius vorgelesen hätte, und welche die Aner- kennung enthielte, dass der Breslauer Kirche nicht das mindeste Recht auf die weltliche Herrschaft über Stadt und Herzogthum, sondern dass diese ausschliesslich dem Könige von Böhmen zustehe. Als der Bischof hierauf erwiederte, er und das Capitel seien dazu bereit, wofern nur Karl auch seinerseits ihnen ihre althergebrachten Rechte verbürge, erklärten die Gesandten schr bestimmt, der Kaiser wolle gar keine Bürgschaften geben, sondern er verlange kurzweg die Aus- stellung jenes Reverses, widrigenfalls er öffentlich als ihr Feind auftreten werde, wo dann der Bischof und das Capitel nichts Besseres würden thun können, als je eher je lieber aus Breslau zu weichen 1). Trotz dieses ungnädigen, ja drohenden Bescheides gab doch der Klerus nicht ganz nach und begnügte sich, am 17. August eine Ur- kunde auszustellen, die nicht nach dem Wortlaute jenes Reverses, sondern in ziemlich allgemeinen Ausdrücken den König von Böhmen als rechtmässigen Herrn des Fürstenthums Breslau anerkennt 2). Natürlich blieb trotzdem für die Geistlichkeit jene ungewohnte Sprache und Haltung des sonst so befreundeten Herrschers ein sehr bedenkliches Zeichen, wenn gleich die mit der Stadt obwaltende Streitsache davon gar nicht berührt wurde. Diese letztere befand sich vielmehr auf dem besten Wege, durch freundlichen Vergleich been- digt zu werden, wofür Herzog Bolko von Schweidnitz und verschie- dene Adelige eifrig thätig waren 3). Während der Bischof das Interdict suspendirt liess, sahen die Breslauer von einer Verfolgung ihrer Appellation an den päpstlichen Stuhl ab und liessen den im Herbst 1367 angesetzten Termin ver- streichen. Plötzlich im März 1368 trat in der Sache eine unerwartete Wendung ein, deren eigentliche Motive wir uns leicht aus dem Gange der grossen Weltbegebenheiten erklären können. Schon seit längerer 1) Stenzel, Bisth.-Urk. S. 337. 2) Lünig R. A. V. 2., 317. Stenzel (a. a. O. 338. Anm 1) ist geneigt die Urkunde für unecht zu halten, indem er sie als der eben geschilderten Verhandlung wider- sprechend ansieht. Doch wenn er dabei, wie auch seine Uberschrift über jene von ihm mitgetheilte Verhandlung zeigt, von der Voraussetung ausgeht, jener ver- langte Revers sei wirklich von dem Bischofe ausgestellt worden, so scheint mir dieselbe in dem Inhalle jener Urkunde durchaus keine Bestätigung zu finden. 3) Processschr. f. 31.
236 einer Urkunde, entsprechend dem Reverse, den ihnen vor Kurzem Propst Peter v. St. Egidius vorgelesen hätte, und welche die Aner- kennung enthielte, dass der Breslauer Kirche nicht das mindeste Recht auf die weltliche Herrschaft über Stadt und Herzogthum, sondern dass diese ausschliesslich dem Könige von Böhmen zustehe. Als der Bischof hierauf erwiederte, er und das Capitel seien dazu bereit, wofern nur Karl auch seinerseits ihnen ihre althergebrachten Rechte verbürge, erklärten die Gesandten schr bestimmt, der Kaiser wolle gar keine Bürgschaften geben, sondern er verlange kurzweg die Aus- stellung jenes Reverses, widrigenfalls er öffentlich als ihr Feind auftreten werde, wo dann der Bischof und das Capitel nichts Besseres würden thun können, als je eher je lieber aus Breslau zu weichen 1). Trotz dieses ungnädigen, ja drohenden Bescheides gab doch der Klerus nicht ganz nach und begnügte sich, am 17. August eine Ur- kunde auszustellen, die nicht nach dem Wortlaute jenes Reverses, sondern in ziemlich allgemeinen Ausdrücken den König von Böhmen als rechtmässigen Herrn des Fürstenthums Breslau anerkennt 2). Natürlich blieb trotzdem für die Geistlichkeit jene ungewohnte Sprache und Haltung des sonst so befreundeten Herrschers ein sehr bedenkliches Zeichen, wenn gleich die mit der Stadt obwaltende Streitsache davon gar nicht berührt wurde. Diese letztere befand sich vielmehr auf dem besten Wege, durch freundlichen Vergleich been- digt zu werden, wofür Herzog Bolko von Schweidnitz und verschie- dene Adelige eifrig thätig waren 3). Während der Bischof das Interdict suspendirt liess, sahen die Breslauer von einer Verfolgung ihrer Appellation an den päpstlichen Stuhl ab und liessen den im Herbst 1367 angesetzten Termin ver- streichen. Plötzlich im März 1368 trat in der Sache eine unerwartete Wendung ein, deren eigentliche Motive wir uns leicht aus dem Gange der grossen Weltbegebenheiten erklären können. Schon seit längerer 1) Stenzel, Bisth.-Urk. S. 337. 2) Lünig R. A. V. 2., 317. Stenzel (a. a. O. 338. Anm 1) ist geneigt die Urkunde für unecht zu halten, indem er sie als der eben geschilderten Verhandlung wider- sprechend ansieht. Doch wenn er dabei, wie auch seine Uberschrift über jene von ihm mitgetheilte Verhandlung zeigt, von der Voraussetung ausgeht, jener ver- langte Revers sei wirklich von dem Bischofe ausgestellt worden, so scheint mir dieselbe in dem Inhalle jener Urkunde durchaus keine Bestätigung zu finden. 3) Processschr. f. 31.
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237 Zeit hatte Papst Urban V. den Wunsch geäussert, von Avignon nach Rom zurückzukehren, wohin ihn allerdings nur Karls Waffen führen konnten, und obwohl der letztere noch wenig Neigung zu einem zweiten Römerzuge gezeigt hatte, war Urban schon im Juni 1367 nach Italien übergesetzt und hatte in Viterbo sehnsüchtig auf das Erscheinen des kaiserlichen Heeres gewartet. Nachdem nun aber am 14. Februar 1368 für Karl die Geburt eines zweiten Sohnes, Sigis- munds, seine Dynastie aufs Neue befestigt hatte, entschloss er sich gegen Ende Februar zu dem Römerzuge, und ohne Zweifel ist mit der Nachricht hievon den Breslauern auch eine Andeutung zugekommen, unter den jetzigen Umständen sei von dem auf die kaiserliche Hilfe aus- schliesslich angewiesenen Papste eine grössere Nachgiebigkeit zu hof- fen ; und mit Rücksicht darauf spannten nun sofort die Breslauer ihre Forderungen höher und provocirten sogar direct einen Abbruch der Verhandlungen mit dem Capitel. Das letztere erklärt unter dem 16. März in einem notariellen Acte, die Consuln seien vor einiger Zeit zu ihnen gekommen, wie man geglaubt habe, der Einigung wegen, in Wahrheit aber, wie sich jetzt herausgestellt habe, um der Geistlichen Absichten und Gesinnungen 1) auszuspioniren, und nach- dem ihnen dies gelungen, hätten sie gedroht, das hier Gehörte dem Kaiser zu denunciren, und hierauf erkläre nun der Scholasticus Na- mens des Capitels, falls in Folge hievon die Breslauer Kirche irgend in die Ungnade des Kaisers fiele oder Schaden erlitte 2), würden die Consuln dafür zu gelegener Zeit vor dem competenten Richter ver- antwortlich gemacht werden. Der erfolgte Umschlag ist ganz unver- kennbar; die Breslauer rufen ihren bisherigen Sachwalter Johann Graudenz ab, ersetzen denselben durch einen andern energische- ren Mann 3) und nehmen zugleich den Gedanken einer Appellation an den päpstlichen Stuhl wieder auf, nur dass sie den Gegenstand der- selben etwas verändern, und während sie früher über eine ungerecht- fertigte Verhängung des Interdicts Beschwerde geführt hatten, nun allgemein die Frage über die Competenz der geistlichen Jurisdiction 1) Intenciones et corda. 2) Si — — aliquam indignacionem imperatoris incurrerent sive damna, quod ista cum preteritis repetere vellent loco et tempore oportunis coram suo judice com- petenti. Dom-Arch. lib. nig. f. 8. 3) Lib. nig. f. 8b.
237 Zeit hatte Papst Urban V. den Wunsch geäussert, von Avignon nach Rom zurückzukehren, wohin ihn allerdings nur Karls Waffen führen konnten, und obwohl der letztere noch wenig Neigung zu einem zweiten Römerzuge gezeigt hatte, war Urban schon im Juni 1367 nach Italien übergesetzt und hatte in Viterbo sehnsüchtig auf das Erscheinen des kaiserlichen Heeres gewartet. Nachdem nun aber am 14. Februar 1368 für Karl die Geburt eines zweiten Sohnes, Sigis- munds, seine Dynastie aufs Neue befestigt hatte, entschloss er sich gegen Ende Februar zu dem Römerzuge, und ohne Zweifel ist mit der Nachricht hievon den Breslauern auch eine Andeutung zugekommen, unter den jetzigen Umständen sei von dem auf die kaiserliche Hilfe aus- schliesslich angewiesenen Papste eine grössere Nachgiebigkeit zu hof- fen ; und mit Rücksicht darauf spannten nun sofort die Breslauer ihre Forderungen höher und provocirten sogar direct einen Abbruch der Verhandlungen mit dem Capitel. Das letztere erklärt unter dem 16. März in einem notariellen Acte, die Consuln seien vor einiger Zeit zu ihnen gekommen, wie man geglaubt habe, der Einigung wegen, in Wahrheit aber, wie sich jetzt herausgestellt habe, um der Geistlichen Absichten und Gesinnungen 1) auszuspioniren, und nach- dem ihnen dies gelungen, hätten sie gedroht, das hier Gehörte dem Kaiser zu denunciren, und hierauf erkläre nun der Scholasticus Na- mens des Capitels, falls in Folge hievon die Breslauer Kirche irgend in die Ungnade des Kaisers fiele oder Schaden erlitte 2), würden die Consuln dafür zu gelegener Zeit vor dem competenten Richter ver- antwortlich gemacht werden. Der erfolgte Umschlag ist ganz unver- kennbar; die Breslauer rufen ihren bisherigen Sachwalter Johann Graudenz ab, ersetzen denselben durch einen andern energische- ren Mann 3) und nehmen zugleich den Gedanken einer Appellation an den päpstlichen Stuhl wieder auf, nur dass sie den Gegenstand der- selben etwas verändern, und während sie früher über eine ungerecht- fertigte Verhängung des Interdicts Beschwerde geführt hatten, nun allgemein die Frage über die Competenz der geistlichen Jurisdiction 1) Intenciones et corda. 2) Si — — aliquam indignacionem imperatoris incurrerent sive damna, quod ista cum preteritis repetere vellent loco et tempore oportunis coram suo judice com- petenti. Dom-Arch. lib. nig. f. 8. 3) Lib. nig. f. 8b.
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238 im Breslauer Bezirke zur Entscheidung vor die Curie bringen 1). Am längsten hält noch der friedliebende Bischof Preczlaw an der Hoff- nung eines Ausgleichs fest und verlängert trotz des neu aufgeflamm- ten Streites am 27. April noch einmal die Suspension des Interdictes (das ohnehin, wie man glauben möchte, ihm am Anfange des Streites und bei seiner Abwesenheit von Breslau mehr oder weniger üher den Kopf genommen worden war) noch einmal bis auf Mariä Geburt (8. September) 2), nach welchem Termin es allerdings wieder in Kraft getreten ist. Im August 1368 sehen wir dann die Appellation in vollstem Gange, und die Berechnung der Breslauer zeigte sich als vollkommen richtig. Der Kaiser, der am 21. October Urban nach Rom zurück- geführt und bei dieser Gelegenheit zum Zeichen christlicher Demuth den Zelter des Papstes selbst am Zügel nach der Peterskirche gelei- tet hatte, war ein Fürsprecher, der damals nicht leicht Gefahr lief, eine geforderte Gunst abgeschlagen zu sehen, und so kann es uns nicht wundern, dass Papst Urban unter dem 13. November 1368 das über die Stadt Breslau verhängte Inderdict "zur Verhütung von Argerniss und Schädigung der Seelen, sowie zur Erleichterung einer Einigung“ einfach aufhebt und zugleich den Bischof anweist, diesen Befehl so- fort zu vollziehen 3). Das Merkwürdigste an diesem Decrete ist, dass es den Kaiser selbst als streitende Partei neben dem Rathe von Bres- lau und gegenüber dem Klerus bezeichnet. Zugleich ernennt der Papst vier Cardinäle, die Bischöfe Guido von Portua, Wilhelm von Sabina, den Presbyter Bernhard von den zwölf Aposteln und den Dia- conus von Maria nova Petrus zu Instructoren des Processes, und diese einigen sich nun dahin, Kaiser Karl als Schiedsrichter der ganzen Sache zu wählen, was denn Urban unter dem 1. December bestä- tigt, indem er zugleich die Parteien verpflichtet, sich bei dessen Aus- spruche zu beruhigen 4). Hiemit war die Sache nun eigentlich factisch schon entschie- den, denn nachdem der, welchen der Papst kurz vorher als Partei bezeichnet hatte, zum alleinigen Richter gemacht worden war, konnte 1) Processschrift f. 14. 2) Lib. nig. f. 11. 3) 2 Urk. beide lib. nig. f. 13b. 4) Theiner, mon. Pol. 1. 651.
238 im Breslauer Bezirke zur Entscheidung vor die Curie bringen 1). Am längsten hält noch der friedliebende Bischof Preczlaw an der Hoff- nung eines Ausgleichs fest und verlängert trotz des neu aufgeflamm- ten Streites am 27. April noch einmal die Suspension des Interdictes (das ohnehin, wie man glauben möchte, ihm am Anfange des Streites und bei seiner Abwesenheit von Breslau mehr oder weniger üher den Kopf genommen worden war) noch einmal bis auf Mariä Geburt (8. September) 2), nach welchem Termin es allerdings wieder in Kraft getreten ist. Im August 1368 sehen wir dann die Appellation in vollstem Gange, und die Berechnung der Breslauer zeigte sich als vollkommen richtig. Der Kaiser, der am 21. October Urban nach Rom zurück- geführt und bei dieser Gelegenheit zum Zeichen christlicher Demuth den Zelter des Papstes selbst am Zügel nach der Peterskirche gelei- tet hatte, war ein Fürsprecher, der damals nicht leicht Gefahr lief, eine geforderte Gunst abgeschlagen zu sehen, und so kann es uns nicht wundern, dass Papst Urban unter dem 13. November 1368 das über die Stadt Breslau verhängte Inderdict "zur Verhütung von Argerniss und Schädigung der Seelen, sowie zur Erleichterung einer Einigung“ einfach aufhebt und zugleich den Bischof anweist, diesen Befehl so- fort zu vollziehen 3). Das Merkwürdigste an diesem Decrete ist, dass es den Kaiser selbst als streitende Partei neben dem Rathe von Bres- lau und gegenüber dem Klerus bezeichnet. Zugleich ernennt der Papst vier Cardinäle, die Bischöfe Guido von Portua, Wilhelm von Sabina, den Presbyter Bernhard von den zwölf Aposteln und den Dia- conus von Maria nova Petrus zu Instructoren des Processes, und diese einigen sich nun dahin, Kaiser Karl als Schiedsrichter der ganzen Sache zu wählen, was denn Urban unter dem 1. December bestä- tigt, indem er zugleich die Parteien verpflichtet, sich bei dessen Aus- spruche zu beruhigen 4). Hiemit war die Sache nun eigentlich factisch schon entschie- den, denn nachdem der, welchen der Papst kurz vorher als Partei bezeichnet hatte, zum alleinigen Richter gemacht worden war, konnte 1) Processschrift f. 14. 2) Lib. nig. f. 11. 3) 2 Urk. beide lib. nig. f. 13b. 4) Theiner, mon. Pol. 1. 651.
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239 das Urtheil nicht mehr zweifelhaft sein, und alle die weiteren Forma- litäten des Processes haben wenig Interesse mehr. Andrerseits ist es im höchsten Masse erklärlich, dass die Geistlichkeit mit dem grössten Unwillen diese Entwickelung der Dinge ansah, und dass ihre Process- schriften alle die Bitterkeit zeigen, welche das Bewusstsein eine hoff- nungslose Sache zu verfechten, einzuflössen pflegt. So führen sie unter dem 14. April 1369 schwere Klagen über Heinrich Slancz den Sachwalter der Breslauer, welcher vor den Cardinälen nicht nur jene schon erwähnten Verleumdungen bezüglich der angeblichen Conspi- ration der Domherren mit dem Könige von Polen ausgesprochen, son- dern auch sogar behauptet habe, wenn der König nicht die Breslauer von dem Interdicte befreie, würden sich die letzteren einen andern Herrn suchen, was doch eine gänzlich verleumderische Behauptung sei, da die Bürgerschaft, wie das Capitel überzeugt sei, unveränder- lich treu an der Krone Böhmen festhielte. Derselbe habe auch öffent- lich die Kanoniker Räuber, Wucherer, Hurer, Mörder geschimpft und die Meinung verbreitet, dieselben hielten alle Bürger für nichts bes- seres als Ketzer, und dadurch diese so aufgeregt, dass die Geistlichen keinen Augenblick mehr ihres Eigenthums noch ihres Lebens sicher seien. Das Capitel sei dem Könige allerwärts treu und gehorsam ge- wesen, es habe mit Rücksicht auf das Lehen Gröttkau wiederholt Heerfolge geleistet, so gegen den König von Polen und so auch nach Schwaben hin gegen den Herzog von Würtemberg (1360). Wenn der Kaiser ihnen nicht Sicherheit verschaffen könne, möge er den Papst bitten, dass er gestatte, den Sitz des Bisthums an einen andern Ort zu verlegen. Bis auf die neueste Zeit habe niemand ihre Privile- gien angefochten, erst seit die Consuln die Hauptmannschaft erlangt, hätten sie aus derselben Feindseligkeit, mit der sie einstmals (zu Nankers Zeit) die Geistlichen vertrieben und deren Eigenthum sich angemasst hätten, ihre Rechte geschädigt 1). Zugleich aber suchen sie gegen das schiedsrichterliche Amt des Kaisers Einwendungen zu erheben ; sie behaupten, derselbe habe zur Beilegung der ersten und Haupt�Streitsache wegen der Gefangen- setzung Stankos und der Verhängung des Interdicts vom Papste kein Mandat, sondern nur für die zweite nachträglich von den Breslauern 1) Processschriſten f. 17, 18.
239 das Urtheil nicht mehr zweifelhaft sein, und alle die weiteren Forma- litäten des Processes haben wenig Interesse mehr. Andrerseits ist es im höchsten Masse erklärlich, dass die Geistlichkeit mit dem grössten Unwillen diese Entwickelung der Dinge ansah, und dass ihre Process- schriften alle die Bitterkeit zeigen, welche das Bewusstsein eine hoff- nungslose Sache zu verfechten, einzuflössen pflegt. So führen sie unter dem 14. April 1369 schwere Klagen über Heinrich Slancz den Sachwalter der Breslauer, welcher vor den Cardinälen nicht nur jene schon erwähnten Verleumdungen bezüglich der angeblichen Conspi- ration der Domherren mit dem Könige von Polen ausgesprochen, son- dern auch sogar behauptet habe, wenn der König nicht die Breslauer von dem Interdicte befreie, würden sich die letzteren einen andern Herrn suchen, was doch eine gänzlich verleumderische Behauptung sei, da die Bürgerschaft, wie das Capitel überzeugt sei, unveränder- lich treu an der Krone Böhmen festhielte. Derselbe habe auch öffent- lich die Kanoniker Räuber, Wucherer, Hurer, Mörder geschimpft und die Meinung verbreitet, dieselben hielten alle Bürger für nichts bes- seres als Ketzer, und dadurch diese so aufgeregt, dass die Geistlichen keinen Augenblick mehr ihres Eigenthums noch ihres Lebens sicher seien. Das Capitel sei dem Könige allerwärts treu und gehorsam ge- wesen, es habe mit Rücksicht auf das Lehen Gröttkau wiederholt Heerfolge geleistet, so gegen den König von Polen und so auch nach Schwaben hin gegen den Herzog von Würtemberg (1360). Wenn der Kaiser ihnen nicht Sicherheit verschaffen könne, möge er den Papst bitten, dass er gestatte, den Sitz des Bisthums an einen andern Ort zu verlegen. Bis auf die neueste Zeit habe niemand ihre Privile- gien angefochten, erst seit die Consuln die Hauptmannschaft erlangt, hätten sie aus derselben Feindseligkeit, mit der sie einstmals (zu Nankers Zeit) die Geistlichen vertrieben und deren Eigenthum sich angemasst hätten, ihre Rechte geschädigt 1). Zugleich aber suchen sie gegen das schiedsrichterliche Amt des Kaisers Einwendungen zu erheben ; sie behaupten, derselbe habe zur Beilegung der ersten und Haupt�Streitsache wegen der Gefangen- setzung Stankos und der Verhängung des Interdicts vom Papste kein Mandat, sondern nur für die zweite nachträglich von den Breslauern 1) Processschriſten f. 17, 18.
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240 angeregte Streitsache über den Umfang der geistlichen Jurisdiction im Breslauer Bezirke 1). Thatsächlich scheint das Capitel überhaupt sich der Anerkennung Karls als Schiedsrichter widersetzt zu haben, und als auch sein Gesandter Bischof Johann von Aachen den Klerus von diesem Widerstande vergebens abzubringen versucht hatte, tha- ten die kaiserlichen Beamten in Schlesien Puotha von Czastolowicz, Hauptmann von Glatz, und Thimo v. Kolditz, Hauptmann von Breslau, das ihrige um durch Anwendung eines gelinden moralischen Zwanges, bestehend in ernsten Vorwürfen und Drohungen, jenen Zweck zu erreichen, und als dann der Kaiser im Herbst 1369 noch wieder zwei Gesandte hierher schickt, Lambert Bischof von Speier und Peter von Janowitz, kaiserlichen Hofmeister, gibt das Capitel endlich nach, frei- lich nicht ohne noch insgeheim eine notarielle Verwahrung abzu- geben, wonach es nur aus Furcht vor der Macht des Kaisers sich füge, und wenn es jetzt etwas den Freiheiten der Kirche vergäbe, sich vorbehalte, zu gelegener Zeit dies zurückzufordern. Im übrigen wurde der Schein eines peinlichst gewissenhaften Rechtsverfahrens aufs strengste gewahrt : so ward im Jahre 1369 den Breslauern die Hauptmannschaft wieder abgenommen, durch welche sie in neue Conflicte mit der Gegenpartei hätten kommen können, ja der Kaiser forderte von der Mehrzahl der schlesischen Städte, von mehreren Fürsten und auch von der Ritterschaft des Breslauer Her- zogthums Gutachten ein über die Ansprüche der Breslauer. Es liegen uns nun die Antworten von 20 schlesischen Städten (das halb kai- serliche halb herzogliche Gross-Glogau ist zwiefach vertreten, von oberschlesischen Städten nur Oppeln), von vier Fürsten, Brieg, Oels, Falkenberg, Oppeln und der Breslauer Ritterschaft vor 2), welche sich sämmtlich auf das unumwundenste zu Gunsten der Breslauer aus- sprechen. Die Urkunden sind sämmtlich fast wörtlich gleichlautend, sie mögen wohl den Wortlaut der ausführlich formulirten Frage in der Antwort wiederholt haben. Andrerseits zeigt auch der uns erhaltene dicke Folioband der Processschriften ganz correct den langsam fort- d8 1) Processschriften f. 17. 2) Stadt-Arch. B. 21 a bis ff. Die zwei Urkunden der Breslauer Ritterschaft verdienen besondere Anfmerksamkeit, weil sie eine grosse Anzahl Siegel und zwar die der angesehensten Adelsfamilien des Herzogthums angehängt haben.
240 angeregte Streitsache über den Umfang der geistlichen Jurisdiction im Breslauer Bezirke 1). Thatsächlich scheint das Capitel überhaupt sich der Anerkennung Karls als Schiedsrichter widersetzt zu haben, und als auch sein Gesandter Bischof Johann von Aachen den Klerus von diesem Widerstande vergebens abzubringen versucht hatte, tha- ten die kaiserlichen Beamten in Schlesien Puotha von Czastolowicz, Hauptmann von Glatz, und Thimo v. Kolditz, Hauptmann von Breslau, das ihrige um durch Anwendung eines gelinden moralischen Zwanges, bestehend in ernsten Vorwürfen und Drohungen, jenen Zweck zu erreichen, und als dann der Kaiser im Herbst 1369 noch wieder zwei Gesandte hierher schickt, Lambert Bischof von Speier und Peter von Janowitz, kaiserlichen Hofmeister, gibt das Capitel endlich nach, frei- lich nicht ohne noch insgeheim eine notarielle Verwahrung abzu- geben, wonach es nur aus Furcht vor der Macht des Kaisers sich füge, und wenn es jetzt etwas den Freiheiten der Kirche vergäbe, sich vorbehalte, zu gelegener Zeit dies zurückzufordern. Im übrigen wurde der Schein eines peinlichst gewissenhaften Rechtsverfahrens aufs strengste gewahrt : so ward im Jahre 1369 den Breslauern die Hauptmannschaft wieder abgenommen, durch welche sie in neue Conflicte mit der Gegenpartei hätten kommen können, ja der Kaiser forderte von der Mehrzahl der schlesischen Städte, von mehreren Fürsten und auch von der Ritterschaft des Breslauer Her- zogthums Gutachten ein über die Ansprüche der Breslauer. Es liegen uns nun die Antworten von 20 schlesischen Städten (das halb kai- serliche halb herzogliche Gross-Glogau ist zwiefach vertreten, von oberschlesischen Städten nur Oppeln), von vier Fürsten, Brieg, Oels, Falkenberg, Oppeln und der Breslauer Ritterschaft vor 2), welche sich sämmtlich auf das unumwundenste zu Gunsten der Breslauer aus- sprechen. Die Urkunden sind sämmtlich fast wörtlich gleichlautend, sie mögen wohl den Wortlaut der ausführlich formulirten Frage in der Antwort wiederholt haben. Andrerseits zeigt auch der uns erhaltene dicke Folioband der Processschriften ganz correct den langsam fort- d8 1) Processschriften f. 17. 2) Stadt-Arch. B. 21 a bis ff. Die zwei Urkunden der Breslauer Ritterschaft verdienen besondere Anfmerksamkeit, weil sie eine grosse Anzahl Siegel und zwar die der angesehensten Adelsfamilien des Herzogthums angehängt haben.
Strana 241
241 schreitenden, unendlich weitschweifigen Gang eines kanonischen Rechtshandels, der sich grösstentheils in Lucca, wo der Kaiser sich mehrere Monate aufhielt, abspinnt ; schon am 14. April erklärt das Capitel, bis jetzt die ungeheure Summe von 1300 Goldgulden für den Process aufgewendet zu haben 1). Unter dem 30. Januar 1370 thut dann der Kaiser von Prag aus den entscheidenden Spruch, in welchem er dem Rathe von Breslau das Recht zuertheilt, alle Unterthanen des Bischofs und Capitels wegen irgend welcher Vergehen oder Verbrechen oder auch Geldschulden, wo immer sie dieselben begangen resp. contrahirt hätten, falls sie in der Stadt betroffen würden, festzuhalten, vor das Stadtgericht zu ziehen und dort zu richten, ohne dass es dem Bischof und dem Capi- tel gestattet sein solle, desshalb die Stadt mit dem Interdict zu bele- gen, bei einer Strafe von 100 Mark; alle entgegenstehenden Statuten wurden für aufgehoben erklärt, jede Art von Appellation war von vorn herein ausgeschlossen 2). Für die Breslauer hatte es sich bei dieser Angelegenheit um ein Princip gehandelt, aufwelches sie im Interesse der öffentlichen Sicher- heit grossen Werth legen mussten. Schon seit mehr als 100 Jahren besassen sie das Recht, wegen Criminalsachen und Geldschulden, falls die Angeklagten sich in der Stadt betreffen liessen, dieselben vor ihr Gericht zu ziehen und zu richten, auch den Adel nicht ausgeschlossen ; nun ward dies auch gegenüber den Unterthanen der Kirche an- erkannt. Für unsere Rechtsanschauungen hat es etwas auffallendes, dass, wie es ja in dem bei diesem Processe vorliegenden Falle geschehen war, in dem Rechtshandel zweier Personen, welche beide die Stadt eigentlich nichts angingen und beide ausserhalb derselben ihren Gerichtsstand hatten, mit einem Male das städtische Gericht eine Competenz erlangen sollte, blos um des äusserlichen Grundes willen, dass die Parteien die Mauern der Stadt vorübergehend betreten hat- ten. Doch da einmal im Mittelalter die ständische oder corporative Gliederung eine strenge Durchführung allgemeinen Rechtsschutzes im hohen Grade erschwerte, war es schon von grosser Bedeutung, dass der Verbrecher oder der böse Schuldner, dem man sonst nicht 1) Processschriften f. 19. 2) Lünig, Reichs-Archiv XIV. 2, 246. Archiv. XXXIX. 1. 16
241 schreitenden, unendlich weitschweifigen Gang eines kanonischen Rechtshandels, der sich grösstentheils in Lucca, wo der Kaiser sich mehrere Monate aufhielt, abspinnt ; schon am 14. April erklärt das Capitel, bis jetzt die ungeheure Summe von 1300 Goldgulden für den Process aufgewendet zu haben 1). Unter dem 30. Januar 1370 thut dann der Kaiser von Prag aus den entscheidenden Spruch, in welchem er dem Rathe von Breslau das Recht zuertheilt, alle Unterthanen des Bischofs und Capitels wegen irgend welcher Vergehen oder Verbrechen oder auch Geldschulden, wo immer sie dieselben begangen resp. contrahirt hätten, falls sie in der Stadt betroffen würden, festzuhalten, vor das Stadtgericht zu ziehen und dort zu richten, ohne dass es dem Bischof und dem Capi- tel gestattet sein solle, desshalb die Stadt mit dem Interdict zu bele- gen, bei einer Strafe von 100 Mark; alle entgegenstehenden Statuten wurden für aufgehoben erklärt, jede Art von Appellation war von vorn herein ausgeschlossen 2). Für die Breslauer hatte es sich bei dieser Angelegenheit um ein Princip gehandelt, aufwelches sie im Interesse der öffentlichen Sicher- heit grossen Werth legen mussten. Schon seit mehr als 100 Jahren besassen sie das Recht, wegen Criminalsachen und Geldschulden, falls die Angeklagten sich in der Stadt betreffen liessen, dieselben vor ihr Gericht zu ziehen und zu richten, auch den Adel nicht ausgeschlossen ; nun ward dies auch gegenüber den Unterthanen der Kirche an- erkannt. Für unsere Rechtsanschauungen hat es etwas auffallendes, dass, wie es ja in dem bei diesem Processe vorliegenden Falle geschehen war, in dem Rechtshandel zweier Personen, welche beide die Stadt eigentlich nichts angingen und beide ausserhalb derselben ihren Gerichtsstand hatten, mit einem Male das städtische Gericht eine Competenz erlangen sollte, blos um des äusserlichen Grundes willen, dass die Parteien die Mauern der Stadt vorübergehend betreten hat- ten. Doch da einmal im Mittelalter die ständische oder corporative Gliederung eine strenge Durchführung allgemeinen Rechtsschutzes im hohen Grade erschwerte, war es schon von grosser Bedeutung, dass der Verbrecher oder der böse Schuldner, dem man sonst nicht 1) Processschriften f. 19. 2) Lünig, Reichs-Archiv XIV. 2, 246. Archiv. XXXIX. 1. 16
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242 direct zu Leibe gehen konnte, wenigstens dadurch gestraft wurde, dass ihm die grosse Stadt, der Centralpunkt alles Verkehrs, der Marktplatz aller feineren Lebensbedürfnisse, sich verschloss, so lange die an ihm haftende Schuld nicht gesichert war. Er ward proscribirt oder verfestet, und an den Thoren "angesagt" d. h. zur eventuellen Festnehmung designirt. Es geschah nun gleichsam noch unter der Nachwirkung jener Spannung der Geistlichkeit gegenüber, dass der Kaiser unter dem 27. Mai 1370 den Befehl erliess, kein geistlicher Mann solle Grund- eigenthum| jin Breslau erwerben noch Renten daselbst kaufen ohne besondere königliche Erlaubniss ; ja es sollte sogar der, welcher sol- ches in früheren Zeiten erworben, gehalten sein es wieder zu ver- kaufen, denn, fügt die Urkunde nachdrücklich hinzu, der Grund ge- hört uns und dem Königreich und Niemandem sonst 1). Es lag nun wohl dem der Wunsch zu Grunde, möglichst alle Ursachen zu Rechtsstreitigkeiten zwischen Bürgerschaft und Geistlichkeit von vorn herein zu beseitigen, doch war es sehr hart für den Klerus in einer Zeit, wo es nicht ganz leicht war, Capital gewinnbringend anzulegen, sich alle die Gelegenheiten, welche die grosse Stadt bot, abgeschnitten zu sehen, und ebenso war das Edict selbst doch in sehr schroffer Weise gefasst. Trotz alledem sehen wir thatsächlich das Verhältniss des Kai- sers zur Geistlichkeit nicht wesentlich alterirt. Bei Bischof Preczlaw darf uns das am wenigsten wundern, wir haben guten Grund anzu- nehmen, dass er viel friedfertiger war als sein Capitel, wir sahen schon, wie er auch nach der Wiederanfachung des Streites an der Hoffnung auf einen Vergleich festhielt, er liess dann auch gutwillig am 6. März 1369 Paul von Gandau aus dem Bann 2). Ja er war selbst oft mit seinem Capitel unzufrieden, und mit dem dem Dome so eng verbundenen Capitel zum heiligen Kreuz, das man sonst als eine Art Filiale des Domes ansehen konnte, wie denn häufig Kanoniker Pfrün- den bei beiden Stiftern hatten, gerieth er in seinem letzten Lebens- jahre 1375 in einen heftigen Grenzstreit, so dass er die Herren vom Kreuzstift wiederholt in den Bann that und die Stadtpfarrer von Maria Magdalena und Elisabeth beauftragte den Widerspenstigen ins 1) Lünig a. a. O. 252. 2) Klose II. 249.
242 direct zu Leibe gehen konnte, wenigstens dadurch gestraft wurde, dass ihm die grosse Stadt, der Centralpunkt alles Verkehrs, der Marktplatz aller feineren Lebensbedürfnisse, sich verschloss, so lange die an ihm haftende Schuld nicht gesichert war. Er ward proscribirt oder verfestet, und an den Thoren "angesagt" d. h. zur eventuellen Festnehmung designirt. Es geschah nun gleichsam noch unter der Nachwirkung jener Spannung der Geistlichkeit gegenüber, dass der Kaiser unter dem 27. Mai 1370 den Befehl erliess, kein geistlicher Mann solle Grund- eigenthum| jin Breslau erwerben noch Renten daselbst kaufen ohne besondere königliche Erlaubniss ; ja es sollte sogar der, welcher sol- ches in früheren Zeiten erworben, gehalten sein es wieder zu ver- kaufen, denn, fügt die Urkunde nachdrücklich hinzu, der Grund ge- hört uns und dem Königreich und Niemandem sonst 1). Es lag nun wohl dem der Wunsch zu Grunde, möglichst alle Ursachen zu Rechtsstreitigkeiten zwischen Bürgerschaft und Geistlichkeit von vorn herein zu beseitigen, doch war es sehr hart für den Klerus in einer Zeit, wo es nicht ganz leicht war, Capital gewinnbringend anzulegen, sich alle die Gelegenheiten, welche die grosse Stadt bot, abgeschnitten zu sehen, und ebenso war das Edict selbst doch in sehr schroffer Weise gefasst. Trotz alledem sehen wir thatsächlich das Verhältniss des Kai- sers zur Geistlichkeit nicht wesentlich alterirt. Bei Bischof Preczlaw darf uns das am wenigsten wundern, wir haben guten Grund anzu- nehmen, dass er viel friedfertiger war als sein Capitel, wir sahen schon, wie er auch nach der Wiederanfachung des Streites an der Hoffnung auf einen Vergleich festhielt, er liess dann auch gutwillig am 6. März 1369 Paul von Gandau aus dem Bann 2). Ja er war selbst oft mit seinem Capitel unzufrieden, und mit dem dem Dome so eng verbundenen Capitel zum heiligen Kreuz, das man sonst als eine Art Filiale des Domes ansehen konnte, wie denn häufig Kanoniker Pfrün- den bei beiden Stiftern hatten, gerieth er in seinem letzten Lebens- jahre 1375 in einen heftigen Grenzstreit, so dass er die Herren vom Kreuzstift wiederholt in den Bann that und die Stadtpfarrer von Maria Magdalena und Elisabeth beauftragte den Widerspenstigen ins 1) Lünig a. a. O. 252. 2) Klose II. 249.
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243 Gewissen zu reden 1). Doch auch das Capitel mochte es mit dem Kaiser nicht verderben. Als Bischof Preczlaw 1376 starb und der Papst, wie es damals üblich war, die Vacanz zu besonders hohen Geldforderungen benützen wollte, flüchteten sich die Domherren so- gleich in den Schutz des Kaisers, bewilligten diesem eine bedeutende Anleihe und vereinigten sich zur Wahl eines demselben genehmen Candidaten, des von ihm dem Capitel octroirten Decans Dietrich. Und allerdings hat die Erfahrung gezeigt, dass auch die Geistlichkeit ein Recht hatte zu trauern, als der Kaiser 1378 dem Bischofe in den Tod folgte. Der Archidiacon Nikolaus, den wir sonst als einen der Heisssporne des Capitels kennen lernen, sagte einige Tage später von König Wenzel, er begriffe es nicht, wie der Sohn diejenigen (nämlich die Geistlichen) mit tyrannischem Hasse verfolgen könne, welche sein Vater hoch in Ehren gehalten und mit Gunst und Gnade beschenkt habe. Und in der That war die Regierung des gewaltthätigen und leidenschaftlichen Wenzel wohl geeignet, auch der Geistlichkeit das Andenken Karls in recht hellem Lichte zu zeigen, der dem Klerus ein wohlwollender und gerechter Herrscher gewesen war, wenn er gleich in einzelnen Fällen dem, was ihm als Ubergriff der geistlichen Gewalt erschienen war, entschieden entgegentrat. 1) Stenzel, Denkschr. der vaterl. Ges. 1853. S. 69. Anm. 6. 16 *
243 Gewissen zu reden 1). Doch auch das Capitel mochte es mit dem Kaiser nicht verderben. Als Bischof Preczlaw 1376 starb und der Papst, wie es damals üblich war, die Vacanz zu besonders hohen Geldforderungen benützen wollte, flüchteten sich die Domherren so- gleich in den Schutz des Kaisers, bewilligten diesem eine bedeutende Anleihe und vereinigten sich zur Wahl eines demselben genehmen Candidaten, des von ihm dem Capitel octroirten Decans Dietrich. Und allerdings hat die Erfahrung gezeigt, dass auch die Geistlichkeit ein Recht hatte zu trauern, als der Kaiser 1378 dem Bischofe in den Tod folgte. Der Archidiacon Nikolaus, den wir sonst als einen der Heisssporne des Capitels kennen lernen, sagte einige Tage später von König Wenzel, er begriffe es nicht, wie der Sohn diejenigen (nämlich die Geistlichen) mit tyrannischem Hasse verfolgen könne, welche sein Vater hoch in Ehren gehalten und mit Gunst und Gnade beschenkt habe. Und in der That war die Regierung des gewaltthätigen und leidenschaftlichen Wenzel wohl geeignet, auch der Geistlichkeit das Andenken Karls in recht hellem Lichte zu zeigen, der dem Klerus ein wohlwollender und gerechter Herrscher gewesen war, wenn er gleich in einzelnen Fällen dem, was ihm als Ubergriff der geistlichen Gewalt erschienen war, entschieden entgegentrat. 1) Stenzel, Denkschr. der vaterl. Ges. 1853. S. 69. Anm. 6. 16 *
- I: Titel
- 223: Titulatio